06.04.2024 - Schwäbische Zeitung - Bernd Baur
ASB stellt „Essen auf Rädern“ ein
Nach fast 32 Jahren ist Ende Juni mit dem Mahlzeitendienst Schluss wegen zu hoher Kosten
Der Arbeiter-Samariter-Bund (ASB) Region Oberschwaben Nord wird seinen Mahlzeitendienst „Essen auf Rädern“ einstellen. Seit fast 32 Jahren hat der ASB dieses Angebot aufrechterhalten, gegenwärtig wird es täglich von etwa 100 Kunden, vor allem älteren und pflegebedürftigen Menschen, genutzt. Am 30. Juni werden ASB-Mitarbeiter letztmals ein warmes Mittagessen ausliefern. Grund für das Aus: Der ASB kann die stark gestiegenen Kosten nicht mehr abfangen.
ASB-Mitarbeiter Michael Ott ist mit den letzten Vorbereitungen beschäftigt. Es ist morgens um 9 Uhr. Sein Auslieferungsfahrzeug für „Essen auf Rädern“ hat er rückwärts an der Tiefgarageneinfahrt der ASB-Zentrale in Orsenhausen geparkt. Der Kofferraumdeckel ist geöffnet. Die Zeitschaltuhr am Wärmeofen im Gebäude läuft, dort werden die tiefgekühlten Mahlzeiten aufbereitet. Heiß und verzehrfertig sind sie nach einer gewissen Zeit. Ott entnimmt die verpackten Essensportionen, verstaut sie in schwarzen Thermoboxen und stapelt sie in den Kofferraum seines Fahrzeuges.
Geladen hat er dieses heute für die sogenannte Überlandtour. 30 Essen hat er in den Warmhalteboxen, er wird sie an die Haustür von Kunden unter anderem in Mietingen, Ingerkingen, Aßmannshardt und Warthausen bringen. Zirka 80 Kilometer umfasst die Strecke. Auf vier weiteren Touren bringen andere ASB-Mitarbeiter warme Mahlzeiten zu Kunden. Im Durchschnitt sind es täglich 100 Kunden, knapp 300 Kilometer legen die ASB-Fahrzeuge bei den fünf Touren „Essen auf Rädern“ dabei am Tag zurück. Die Kunden und Kundinnen stammen aus dem östlichen Kreisgebiet.
Vor zwei Wochen haben die ASB-Essensempfänger neben ihrer Mahlzeit ein Schreiben der ASB-Geschäftsstelle ausgehändigt bekommen. Der Inhalt: eine wenig erfreuliche Nachricht. Zum 30. Juni 2024, so heißt es, werde der Dienst „Essen auf Rädern“ aus der ASB-Angebotspalette gestrichen. Die Beweggründe für diese Entscheidung werden in dem Schreiben erläutert. „Wir haben uns sehr schwergetan mit der Entscheidung. Sie tut uns im Herzen weh“, erklärt die ASB-Vorsitzende Diana Seichter-Mäckle im Gespräch mit der „Schwäbischen Zeitung“.
In intensiven Gesprächen über einen längeren Zeitraum hinweg hätten die ASB-Verantwortlichen alle zur Verfügung stehenden Möglichkeiten zur Fortführung des Dienstes „Essen auf Rädern“ in Betracht gezogen. Letztendlich seien die externen Faktoren jedoch erdrückend gewesen, „und wir haben keine internen Stellschrauben, um daran etwas zu ändern“. Der ASB erfüllt Aufgaben im Rahmen seines sozialen Auftrages, betont ASB-Geschäftsführerin Roswitha Ruf. Aber wenn ein Maß überschritten wird, „geht es nicht mehr“, verweist sie auf die Kostensituation speziell beim Dienst „Essen auf Rädern“. Diana Seichter-Mäckle formuliert es so: „Wenn die roten Zahlen zu rot werden, geht es nicht mehr.“
Kostendeckend sei dieser Dienst in den letzten Jahren nicht gewesen. Aber seit dem Jahr 2020 habe sich die Situation massiv verschärft. Mit Beginn der Corona-Pandemie habe sich eine Preisspirale in Gang gesetzt, die durch den Ukrainekrieg noch einmal einen Schub erhalten habe. Konkret geht es um stark gestiegene Energie- und Warenkosten. Beispielsweise verzeichnet der ASB beim Einkauf der Essen eine Kostensteigerung von über zehn Prozent. Für den Unterhalt der Auslieferungsfahrzeuge musste mehr veranschlagt werden. Allein die Benzinkosten fallen hier deutlich ins Gewicht, zumal der ASB mit seinem Dienst „Essen auf Rädern“ die Fläche bedient und viele Ortschaften anfährt. Im Jahr 2023 wurden so 40.170 warme Essen (an sieben Tagen in der Woche) ausgeliefert. Dass die ASB-Mitarbeiter nach Tarif entlohnt werden, steht für ASB-Geschäftsführerin Roswitha Ruf außer Frage: „Tarifsteigerungen werden auch hier kommen.“
Seit dem Jahr 2022 sei der ASB bemüht, die durch gestiegene Energie- und Warenkosten explodierten Kosten beim „Essen auf Rädern“ abzufangen. Trotz vieler Bemühungen ist dies leider nicht gelungen, „und auch für die Zukunft sehen wir keine Möglichkeit, die Verluste auszugleichen“. Die Entscheidung, den Dienst „Essen auf Rädern“ einzustellen, sei unausweichlich. Den Weg einer deutlichen Verteuerung der gelieferten Essen will der ASB aus Rücksicht auf seine Kunden nicht gehen. Denn für ein Standardessen, das im Moment 9,97 Euro kostet, müsste dann ein Betrag von mindestens etwa 15 Euro verlangt werden. Bedauerlich findet es Diana Seichter-Mäckle, dass der ASB als Hilfsorganisation angesichts der gestiegenen Kosten keinerlei finanzielle Unterstützung erhält. „Das könnte sich die Politik überlegen“, sagt sie.
Überlegungen ganz anderer Art werden aktuell beim ASB angestellt. „Es ist klar, dass sich unsere Kunden Sorgen machen nach unserer Ankündigung“, fühlt Roswitha Ruf mit den Essensempfängern. Deshalb ist der ASB bemüht, Alternativen zu finden, damit die Kunden ihre gewünschten Mahlzeiten auch nach dem 30. Juni an die Haustür geliefert bekommen. Um hier Lösungen zu erarbeiten, ist der ASB mit seinem bisherigen Essenslieferanten Apetito (Hauptsitz in Rheine) in Verhandlungen getreten. „Wir sind hier ganz am Anfang der Gespräche“, sagt Roswitha Ruf. Denkbar sind jedoch zwei Optionen: Zum einen könnte Essensanbieter Apetito mit anderen Dienstleistern kooperieren, die dann die Essenszustellung übernehmen. Oder aber Apetito liefert seine Menüs direkt an die Kunden aus.